Quellenangabe:
Josef Weinheber, Gedichte.
© Hoffmann und Campe Hamburg 1966
ISBN nicht verfügbar
Die Pensionisten
Das Haus
Vor dem Einschlafen
Tulpe
Der Phäake
Die Pensionisten, wie eh und je,
in Schönbrunn, auf dem Ring, in der Hauptallee,
mit dem weißen Bart und dem weißen Haar,
die leben das Leben, das gestern war.
Die Zeit ist fort, und das Blut geht leis
und rauscht eine lang verklungene Weis.
Sie gehen gemessenen Schritts, zwei, drei
in einer Reih und plaudern dabei.
Der Rang, der Dienst, der Ruhegenuß,
das schwache Auge, der steife Fuß -
und sie machen exakt am gleichen Ort kehrt
und grüßen einander hochgeehrt.
Sie sitzen im prachtvollen Sonnenschein
und schauen mitunter ganz kaiserlich drein
Und auf einmal zeigt so ein alter Rat
einen Ring, eine Nadel, die er noch hat
von Seiner Majestät. Und ein Flüstern geht
herum wie ein Gebet.
Sie stehen oft Stunden an einem Platz
und locken die Vögel zu zärtlicher Atz,
und schwuppt ein Fink nach dem Bröserl und holts,
dann dreht sich der Alte in richtigem Stolz,
als wollt er sagen: »Nun, bitte sehr,
was tät das Viecherl, wenn ich nicht wär.«
Die Zeit ist fort, und das Blut geht leis
und rauscht eine lang verklungene Weis.
Die Pensionisten wie eh und je
in Schönbrunn, auf dem Ring, in der Hauptallee,
mit dem weißen Bart und dem weißen Haar,
die leben ein Leben, das früher war
Am Rand der Stadt, in die Äcker hinein,
wo die Furt der Straßen sich schlammig verliert,
steht es, das Haus, verlassen, allein,
kein Vogel verweilt ums Geviert.
Der Lebensklagen tödlicher Wind
bestreicht die kahlen Simse aus Stein;
grün fällt der Mond in die Fenster blind,
daß es schimmert wie Totengebein.
Der Armut ewige Spindel surrt
und immer ist Nacht und Verruf um das Haus.
Die Schreie des Sterbens und der Geburt
schießen wie Garben zum Dach hinaus.
Sich selbst so nah zu ruhn!
So fern sich selbst, zu schweben:
O Leben ohne Tun!
O Singen ohne Sinn!
O süßes Tor der Freiheit
Ich schwinde sanft dahin.
Fest das Fleisch und prall die Haut,
seh ich dich im Garten
magdlieh rund und wohlgebaut
in die Dämmerung warten.
Recht zum Küssen angetan,
Weibs, es auch zu zeigen:
Gehn nicht gar zu zeitlich an
Lieb und Liebesreigen?
Wenn die Mädchen rank und schloh
noch den Kindsschlaf lieben,
treibst du's zwischen Schütt und Stroh
und beim Nachbar drüben;
schenkst das Weiß, das Flammigrot,
und das Gäl des Vlieses:
Lippenwein und Wangenbrot,
ach, und jen- und dieses.
Antje, gute, derb und froh
und so schön durchtrieben:
Wer im Dorf und anderswo
müßte dich nicht lieben!
Ich hab sonst nix, drum hab ich gern
ein gutes Papperl, liebe Herrn:
Zum Gabelfrühstück gönn ich mir
ein Tellerfleisch, ein Krügerl Bier,
schieb an und ab ein Goulasch ein,
(kann freilich auch ein Bruckfleisch sein),
ein saftiges Beinfleisch, nicht zu fett,
sonst hat man zu Mittag sein Gfrett.
Dann mach ich - es is eh nicht lang
mehr auf Mittag - mein' Gsundheitsgang,
geh übern Grabn, den Kohlmarkt aus
ins Michaeler Bierwirtshaus.
Ein Hühnersupperl, tadellos,
ein Beefsteak in Madeirasoß,
ein Schweinspörkelt, ein Rehragout,
Omletts mit Champignon dazu,
hernach ein bisserl Kipfelkoch
und allenfalls ein Torterl noch,
zwei Seidel Göß - zum Trinken mag
ich nicht viel nehmen zu Mittag -
ein Flascher Gumpolds, nicht zu kalt,
und drei, vier Glaserl Wermuth halt.
Damit ich's recht verdauen kann,
zünd‘ ich mir mein Trabuker! an
und lehn mich z'rück und schau in d' Höh,
bevor ich auf mein' Schwarzen geh.
Wann ich dann heimkomm, will ich Ruh,
weil ich ein Randerl schlafen tu,
damit ich mich, von zwei bis vier,
die Decken über, ‚rekreier'.
Zur Jausen geh ich in die Stadt
und schau, wer schöne Stelzen hat,
ein kaltes Ganserl, jung und frisch,
ein Alzerl Käs, ein Stückl Fisch,
weil ich so früh am Nachmittag
nicht schon was Warmes essen mag.
Am Abend, muß ich Ihnen sagn,
eß ich gern leicht, wegn meinen Magn,
Hirn in Aspik, Kalbsfrikassee,
ein kleines Züngerl mit Püree,
Faschierts und hin und wieder wohl
zum Selchfleisch Kraut,
zum Rumpsteak Kohl,
erst später dann, beim Wein zur Not,
ein nett garniertes Butterbrot.
Glauben S' nicht, ich könnt ein Fresser wem,
ich hab sonst nix, drum leb ich gern!
Stimme des Volkes:
Sengs, deswegn habns nix, lieber Herr